Elton John: Seine besten und schlechtesten Alben im Ranking
Welche Alben sind essenziell, welche voll daneben und welche lustig? Wir haben uns durchgewühlt.

Elton John hat letztens in der BBC gesagt, er höre sich seine eigene Musik nicht gerne an. Also tun wir es für ihn! Vorab ist zu dieser Auswahl zu sagen: Sir Elton hat unfassbar viel veröffentlicht, über 30 Studioalben. Darunter ist auch Quatsch, klar, aber selbst auf fast jedem lahmen Elton-Album ist noch mindestens ein Riesenhit und Karaoke-Klassiker drauf. Das macht es nicht leicht. Hier ist aber alles dabei: White Boy Blues, extraschmalzige Schunkelballaden, Camp-Rock. Der volle Elton eben.
Essenziell
ELTON JOHN (1970)
Es ist sein zweites Album, das viele bis heute für sein Debüt halten, weil das tatsächlich erste Werk, EMPTY SKY (1969), komplett untergegangen war. ELTON JOHN war sein erstes erfolgreiches Album, es erschien in der Woche, in der die Beatles sich auflösten. Los geht’s mit der sinfonisch durchorchestrierten Ballade „Your Song“ und dem Evergreen-Refrain: „how wonderful life is while you’re in the world“. Eine komplett andere Stimme, ein satt shoutendes Soul-Rock-Organ, trägt „Take Me To The Pilot“. In „The Cage“ wechseln die Genres im Sekundentakt: flotte R’n’B-Beat, Prog-Rock-Interlude, großes Drama mit Big-Band, und irgendwie passt doch alles zusammen. Ein krass abwechslungsreicher Grundstein für eine epische Karriere – lots to unpack, sozusagen.
★★★★★
MADMAN ACROSS THE WATER (1971)
Das vierte Album war eigentlich sein fünftes innerhalb von anderthalb Jahren, aufgenommen in nur zehn Tagen. Wahrlich mad. Elton besingt seine Eindrücke vom Touren durch die USA, wobei die Texte, wie fast immer, von Bernie Taupin geschrieben wurden. Schwer beeindruckend ist, wie aus dem anfänglich fast intimen Klaviergeklimper im Eröffnungs-Hit „Tiny Dancer“ bald eine heftig donnernde Rock-Oper wird. Auch mit drauf: „Indian Sunset“. Eine Passage daraus taucht in „Ghetto Gospel“ auf, Eltons Duett mit 2Pac, das 2004 auf dessen posthumem Album LOYAL TO THE GAME veröffentlicht wurde. Produziert hat „Ghetto Gospel“ ein guter Kumpel: Eminem. Der und Elton John – wohl für immer eine der unwahrscheinlichsten, süßesten Pop-Freundschaften.
★★★★★
HONKY CHATEAU (1972)
Eltons Steuerberater riet, er solle seine Alben außerhalb Großbritanniens aufnehmen, aus fiskalischen Gründen. Also buchte Elton das Musikstudio im „verrufenen Schloss“, dem Château d’Hérouville aus dem 18. Jahrhundert, 40 Kilometer nördlich von Paris. Hier entstand der unendliche Karaoke-Klassiker „Rocket Man“. Es war ja damals gerade die große Space-Travel-Zeit in der Popkultur, siehe Kubricks Film „2001: Odyssee im Weltraum“, David Bowies „Life On Mars?“, seine Ziggy-Stardust-Persona mit dem Hit „Starman“, usw. usf. Der Sound ist bis heute strahlend klar wie eine wolkenlose Sternennacht.
★★★★★
GOODBYE YELLOW BRICK ROAD (1973)
Das Album mit den kraftmeiernden Rock-Hits „Bennie And The Jets“ und „Saturday Night’s Alright (For Fighting)“, aber natürlich vor allem mit „Candle In The Wind“. Die Marilyn Monroe gewidmete, todtraurige Ballade („Goodbye Norma Jean…“) nahm 1997 nochmal eine ganz neue Bedeutung an, als Elton sie aus Anlass von Lady Dianas tragischem Unfalltod neu aufnahm und umtextete („Goodbye England’s rose…“). Selten hat ein Popsong die Welt so beim kollektiven Trauern begleitet und unterstützt.
★★★★★
TOO LOW FOR ZERO (1983)
Eine willkommene return to form, nach den eher mittelmäßigen Werken Ende der Siebziger- und Anfang der Achtzigerjahre. „I’m Still Standing“ heute als Resilienz- & Self-Empowerment-Hymne bezeichnet, und die Ballade „I Guess That’s Why They Call It The Blues“ trägt, inklusive eines herzzerweichenden Mundharmonika-Solos von Stevie Wonder, maßgeblich dazu bei, dass Elton spätestens ab jetzt in der Kategorie „Adult Contemporary“ spielt.
★★★★☆
Auch gut
A SINGLE MAN (1978)
Vor allem wegen „Song For Guy“ am Ende. Das Klavier-Instrumental, bei dem erst gegen Ende ein wenig Gesang reinkommt, widmete Elton seinem Motorradkurier Guy Burchett, der im Alter von 17 Jahren tödlich verunglückt war. Wahnsinnig melancholisch und romantisch. Die Komposition spielt nicht nur in einer Liga mit Beethovens „Für Elise“ oder Schumanns „Träumerei“. Aber fast.
★★★★☆
ICE ON FIRE (1985)
Das Album ist vor allem deswegen toll, weil „Nikita“ mit drauf ist. Ein Jahr bevor Gorbatschow in der Sowjetunion die Perestroika ausrief und den Eisernen Vorhang begann abzuhängen, besingt Elton die unmögliche Liebe zwischen sich und einem russischen Grenzsoldaten an der Mauer in Ostberlin. Wie passt der karibisch anmutende Schmuse-Schluchz-Beat dazu? Nun, Sehnsucht nach Freiheit und Ferne ist hier das Thema! Im Musikvideo wurde Nikita natürlich von einer Frau gespielt, sonst wäre das für MTV damals zu schwul gewesen. Ansonsten ist ICE ON FIRE durchwachsen, aber „Satellite“ ist toll. Hier suhrt Elton wieder elegant auf einem halbelektronischen quasi-Fusion-Sound durch das Arrangement. Auch auf der Platte: Gastauftritte von George Michael sowie Nile Rodgers und Bernard Edwards von Chic bekannt.
★★★☆☆
THE UNION (2010)
Das Kooperations-Album mit der Nashville-Legende Leon Russell. Der war zeitlebens (1942–2016) als Sideman von Bob Dylan, Willie Nelson, Joe Cocker und vielen anderen bekannt, und unüberschätzbar als Solist, Sänger, Songwriter. Produziert von T Bone Burnett, entfaltet dieses Album eine umwerfende Country-/Gospel-/Rock-Power. „Hey Ahab“ und „Monkey Suit“ stampfen stolze im Präriestaub, die Ballade „Gone To Shiloh“ zeichnet die schrecklichste Schlacht von Shiloh in Tennessee nach, bei der 1862 die Unionstruppen knapp über die Konföderierten siegten. Eltons Stimme und Russells sanfteres, höheres Roots-Crooner-Timbre ergänzen sich perfekt. A match made in heaven.
★★★★★
Voll daneben
VICTIM OF LOVE (1979)
Nur weil man gerne im Studio F4 feiert, muss man noch keine Discomucki machen! Eltons Disco-Album beginnt mit einer gruseligen Coverversion von „Johnny B. Goode“. Dass die Rockkritiker das damals doof fanden, und bis heute finden, erklärt sich von selbst – die mögen Disco eh nicht. Aber auch wer mit einer satten Liebe für gutes Discomusik ausgestattet ist, muss leider sagen: Das Album war ein missglückter und unnötiger Versuch, auf dem Disco-Trend mit zu surfen. Mithilfe des Giorgio-Moroder-Kooperateurs Pete Bellotte produziert, sollte der hippe Munich-Sound emuliert werden. VICTIM OF LOVE? Eher Opfer des Zeitgeists.
★★☆☆☆
Lustig, ulkig, campy
DUETS (1993)
Dieses Album bringt Eltons Talent zur Kitschnudel und großen Camp-Queen wohl am deutlichsten zur Geltung. Das Duett mit der Dragqueen RuPaul, „Don’t Go Breaking My Heart“, wurde produziert von Giorgio Moroder, dem Elton schon für sein Disco-Album 1979 gern gehabt hätte. Giorgo packt Tanz-Techno-Geballer aus und lässt zu Beginn sogar ein paar Acid-Lines blubbern. Sehr lustig! Und sehr toll: „Don’t Let The Sun Go Down On Me“, das Live-Duett mit George Michael in der rammelvollen Wembley Arena mit kompletter Massen-Jubel-Sonnuntergangs-Energy. Die Erlöse gingen an die AIDS-Hilfe. Danke.
★★★★☆
REGIMENTAL SGT. ZIPPO (2021)
Das Album hätte eigentlich sein Debüt werden sollen, es wurde aufgenommen Ende 1967, Anfang 1968, also: noch vor EMPTY SKY. Es markiert den Beginn der bis heute währenden Zusammenarbeit mit dem Texter Bernie Taupin und wurde 2021 zum Record Store Day aus dem Archiv entlassen. Irgendwie soll es wohl eine Hommage an SGT. PEPPER’S LONELY HEARTS CLUB BAND der Beatles sein, scheitert aber musikalisch daran. Es ist weder richtig epigonal, noch Persiflage, sondern irgendwie auch noch progrockig und psychedelisch. Elton und Bernie haben sich hier noch nicht richtig eingegroovt. Taupin sagte später, das Album sei vor allem von Procol Harum inspiriert gewesen. Ach so.
★★☆☆☆
THE LOCKDOWN SESSIONS (2021)
Covid läßt grüßen. Die hemmungslose Selbstverwurstung alter Hits „Cold Heart (Pnau Remix)“ ist heute auf Spotify Eltons meistgestreamter Song. Bestehend aus einer Strophe aus „Sacrifice“ (1989), gesungen von Elton, und dem Refrain aus „Rocket Man“, gesungen ohne jegliche Spannung und Energie von Dua Lipa. Das ist schade, spiegelt aber die Lethargie und Nostalgie gut wider, in denen die Welt während der Corona-Pandemie gefangen war. Platz 1 in den UK-Charts, Platz 3 in Deutschland. Alte Hit-Melodien im neuen Schmusedecken-Sound für die abgeriegelte Home-Disco: Schön wärs, wenn wir solche Sedativa nie wieder bräuchten!
★★★☆☆